Nika Schran geboren in der Mitte der 70er, Eltern mit Schlaghosen und fotografisch dokumentierten unfassbaren Sonnenbrillen, was bleibt einem da außer Lesen? Wir hatten ja Nichts. Jedenfalls noch keine Kindheit vor Fernsehern oder Spielkonsolen, geschweige denn vor Notebooks. Wir hatten noch echte Bücher, die Älteren unter Ihnen erinnern sich vielleicht. Somit las ich, wenn ich nicht gerade, am grünen Rand des Ruhrgebiets aufwachsend, von Bäumen oder in Teiche fiel. Ich las mich zuerst durch die Kinderabteilung der heimischen Bibliothek, dann durch die elterlichen reich bestückten Buchregale, später durch alles, was ich in die Hände bekam. Ich hatte ein hungriges Hirn, was sich bis heute nicht verändert hat. Es folgten nach der Schulzeit eine Ausbildung und anschließende lange Jahre in der Textilwelt, bis es mich dann endgültig in den Buchhandel zog, wo ich heute beruflich beheimatet bin. Was außerdem blieb, ist die Liebe zu Farben, Formen und der Mode, zusätzlich kam irgendwann die ganz große Liebe zur Fotografie dazu. Was ein bisschen die Auswahl meiner 5 Bücher begründet, vielleicht sogar die Tatsache, dass ich meine Bücher im Regal nach Farben sortiere, aber das ist eine ganz andere Geschichte. Damit im Kirmesgehirn immer ausreichend Platz für neuen Input ist, muss natürlich zwischendurch das ganze Gewöll irgendwo hin. Also ist bloggen und twittern die logische Konsequenz. Immer mit Kaffee an der Hand, Kaffee finde ich nämlich sehr super. Das alles passiert im Ruhrgebiet, dem meine restliche, noch verfügbare Liebe gilt. Ruhrgebiet! Begeisterung!

Nika Schran

Mode: 150 Jahre Couturies, Designer, Marken

Mode: 150 Jahre Couturies, Designer, MarkenKein Buch für unterwegs, die Ausmaße lassen sich am Besten mit vielleicht ein klitzekleines bisschen unhandlich beschreiben. Immerhin hält man hier knapp 5 Kilo Modegeschichte, Design und Fotos im Format 33,2×26,2×5,4 cm in den Händen. Obwohl, lange halten ist in diesem Fall eher ungünstig. Aber es eignet sich hervorragend für verregnete Sonntagnachmittage auf dem Sofa oder, natürlich mit Kaffee, an einem Esstisch. Ich zerre es vor allem immer dann aus dem Regal (dem schwarzen Teil, übrigens), wenn mir die Mode, Schnitte und Farben in meinem Büroalltag fehlen. Im Buch, mit Unmengen großformatiger Fotos, finden sich eine Vielzahl heute noch namhafter Designer wie Christian Dior, Yves Saint Laurent, André Courrèges, Vivienne Westwood, Coco Chanel, Gianni Versace, Giorgio Armani, Ralph Lauren, Karl Lagerfeld, Jil Sander, Wolfgang Joop und viele andere mehr. Es erzählt die Veränderung, die Mode in den goldenen Zwanzigern durchlebte, die Befreiung vom Korsett, die neue Weiblichkeit und das spielerische Element in den aufstrebenden 50ern bis hin zu den heute noch ausgesprochen unterhaltsamen Modesünden der 80ern. Wir treffen Marlene Dietrich und Marilyn Monroe, wir treffen die Damen der feinen Gesellschaft verschiedener Jahrzehnte genauso wie die Dienstmädchen. Manchmal blättere ich einfach durch die Fotos und Skizzen, verliebe mich ein ums andere Mal in einzelne Kleider, in Farben, in Formen und Muster. Ich staune dabei immer wieder, wie modern heute noch eine Vielzahl der Entwürfe ist. Würde man einige der Kleider heute auf einer der großen Couture Shows über den Runway schicken, niemand würde bemerken, dass sie vor Jahrzehnten bereits entstanden. Manchmal lese ich nur einzelne Kapitel über die Geschichte der verschiedenen Designer, ihres Werdeganges und die der unterschiedlichen Modehäuser. Ich kann tatsächlich immer wieder stundenlang darin blättern, ohne dass es mich vermutlich jemals langweilen wird. Vorausgesetzt, Übergepäck zählt nicht und jemand trüge es für mich, ich würde es auch auf eine einsame Insel mitnehmen.

Autor: Charlotte Seeling

Drive- By Shootings. Photographs by a New York Taxi Driver

Drive- By Shootings. Photographs by a New York Taxi DriverDavid Bradford fährt Taxi in New York. Niemals ohne seine Kamera. Er selbst sagt, er sei fotografierender Taxifahrer, oder taxifahrender Fotograf. Er erzählt, mit Worten und Bildern aus und über New York. So genau lässt es sich nicht trennen und das ist gut so. David Bradford fährt mit seinem Taxi tagein tagaus durch New York. Jeden Morgen hält er am A&M Deli und kauft einen Kodak Tri-Ex 400. Er erzählt liebevoll über New York und er zeigt mir sein New York. Am Tag, in der Nacht und durch die Jahreszeiten. Das alles in kleinen Geschichten und in großen Bildern. Er selbst sagt „Ich mache Drive-By Shootings. Ich schieße die Stadt vom Taxi aus, das ist es, was ich tue.“ Ich liebe diese Fragmente, die Bilder der Stadt, die klassischen Straßenschluchten und vor allem die Innenansichten seines Taxis und die seiner Fahrgäste. Als wäre das alles nicht schon genug, hat dieses Buch mir durch lange Jahre meines elenden Pendlerdaseins quer durch das Ruhrgebiet geholfen. Ich habe jeden Tag unzählige Kilometer zwischen meinem Wohnort und meinem Büro auf der schlimmsten Verkehrsinfarktader im Ruhrgebiet verbracht. Kilometer um Kilometer, im Stau auf der Autobahn, im Stau auf innerstädtischen Ausweichstrecken. Dann begegnete mir der Bildband von David Bradford und mein Fotografenherz machte einen buchstäblichen Hüpfer. Endlich hatte der Weg einen Sinn, die Zeit im Auto war nicht mehr verloren. Immer lag die Kamera auf dem Beifahrersitz. Von da an habe ich unzählige Bilder entlang der Strecke gemacht, mein Blick auf die Städte und die Wege hat sich verändert. Inzwischen hat mein Arbeitsweg sich wieder massiv verkürzt und tatsächlich fehlen mir heute manchmal die Momente, wo meine Hand auf dem Beifahrersitz nach der Kamera tastete. Die Drive-By Shootings sind eine Empfehlung für jeden, dessen Herz für New York schlägt. Für jeden, dessen Herz für (analoge!) Fotografie schlägt. Für jeden, dessen Herz für die Geschichten rund um die Menschen in und aus New York schlägt.

Autoren: David Bradford, Gerhard Waldherr.

Über Fotografie

Über FotografieDie Essays von Susan Sontag über Fotografie habe ich das allererste Mal in einem Flugzeug aufgeschlagen. Hätte ich die Möglichkeit gehabt, ein Fenster zu öffnen und das Buch schwungvoll hinaus zu werfen, ich hätte es noch im Flieger nach den ersten Seiten getan. Zum Glück war dies aus bekannten Gründen nicht möglich, so besitze ich das Buch noch heute. Susan Sontag schreibt unglaublich klug, fokussiert und für mich unfassbar analytisch über das Wesen der Fotografie. Oft im Kontext zur Kunst, zur Realität und zur Gesellschaft. Selten bis nie finden sich die emotionalen Aspekte, die Fotografie für mich ausmachen. Sie beobachtet, reflektiert und ihre Gedankengänge sind klar strukturiert, nachvollziehbar. Diese Ambivalenz aus kluger Betrachtung, Analyse und vollständiger Abwesenheit von Emotionalität trieb mich in den Wahnsinn, machte mich oft wütend, Aber es ließ und lässt mich immer wieder den Blick auf Bilder, auf die Gründe, warum man ein Bild macht, verändern und hinterfragen. „Eine Fotografie ist nicht nur das Ergebnis der Begegnung zwischen einem Ereignis und einem Fotografen. Eine Aufnahme zu machen, ist selbst schon ein Ereignis, und zwar eines, das immer mehr gebieterische Rechte verleiht: sich einzumischen, in das, was geschieht, es zu usurpieren oder aber zu ignorieren. Unsere Einstellung zur jeweiligen Situation wird jetzt durch die Einmischung der Kamera artikuliert“ (Seite 17). Man möchte ihr laut und energisch ein Nein entgegenbrüllen, möchte sich rechtfertigen und die eigenen Gründe für ein Bild erklären. Leider vergebens. Sätze wie „Die Kamera ist eine Art Pass, der moralische Grenzen und gesellschaftliche Hemmungen aufhebt und den Fotografen von jeder Verantwortung gegenüber den Fotografierten entbindet. Der springende Punkt beim Fotografieren von Menschen ist, dass man sich nicht in ihr Leben einmischt, sondern es nur besichtigt. Der Fotograf ist ein Supertourist – eine übersteigerte Spielart des Anthropologen -, der Eingeborene besucht und Nachrichten von ihrem exotischen Treiben und ihrer sonderbaren Aufmachung mit nach Hause bringt.“ (Seite 46) treffen einen mitten in das selbst als abweichend und aus anderen Gründen fotografierend empfundene Herz. Ich habe mir während der Lektüre von Susan Sontags Essays immer wieder die Frage gestellt, wie man die Emotionalität so sehr außen vor lassen kann und dennoch so klug und richtig das Wesen der Bilder und des Fotografen dahinter analysieren kann. Dieser Widerspruch, einen solchen Abgesang auf die Fotografie zu schreiben, die ich so sehr und leidenschaftlich liebe und dennoch so kluge und richtige Dinge dazu zu sagen, macht mich konsequent irre.

Autorin: Susan Sontag. Übersetzer: Gertrud Baruch, Mark W. Rien.

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Wir bleiben in der Nähe

Wir bleiben in der Nähe„Auch das Meer ist nicht gut in Entscheidungen. Ständig ändert es seine Grenzen, fließt vor und zurück, lässt Dinge liegen und nimmt sie beim nächsten Mal dann doch wieder mit, das macht es ganz und gar unmöglich, beim Meer einen klaren Anfang auszumachen. Das Ende hingegen ist deutlich, das Ende ist eine gerade Linie, der Horizont und auch wenn man natürlich weiß, dass der Horizont nichts beendet, höchstens die eigene Wahrnehmung, auch wenn man weiß, dass sich das Meer vom Horizont nicht so leicht aufhalten lässt, dass es den Horizont nicht einmal wahrnimmt, so ist das letztlich gleichgültig, denn wie bei allen großen Dingen bedeutet Ende auch beim Meer: so weit das Auge reicht.“ Das ist der Anfang des Romans. Und damit hatte er mich bereits mit diesen ersten Zeilen. Ich liebe Schachtelsätze, ich war vom ersten Moment an verliebt in die Sprachmelodie von Tilman Rammstedt und bin es bis heute. Der Roman erzählt die Geschichte von Felix, Konrad und Katharina. Die Geschichte einer Freundschaft, einer gemeinsamen Vergangenheit und wie eines Tages der Moment kommt, wo man noch einmal von den zurückliegenden Tagen und Emotionen eingeholt wird und alles in Frage stellen kann und muss. Um rauszufinden, wo man steht, wohin man geht, was wichtig ist. Vielleicht wünschen wir uns alle manchmal so einen Moment. Der plötzlich da ist und das Gefühl mitbringt, man könnte und müsste jetzt alles ändern. Ohne, das man sich das so ausgesucht hat. Denn manchmal ist so viel Freiheit anstrengend, sind all die Wahlmöglichkeiten doch eben ein paar zu viel. All das geschrieben mit dieser wunderbaren Sprachmelodie und für mich mit dem Gefühl, dass hier jemand wirklich gern erzählt. Mit viel Liebe zum Detail, zur Sprache und für die kleinen Dinge, die es am Ende dann aber doch ausmachen. „Wir bleiben in der Nähe“ würde ich gerne stellvertretend für alle Romane von Tilman Rammstedt nennen, aber wenn ich mich für eines ganz allein entscheiden müsste, dann wäre es dieses.

Autor: Tilman Rammstedt

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High Fidelity

High FidelityEigentlich braucht man zu Hornby ja wirklich nichts mehr sagen. Auch zu High Fidelity nicht. Trotzdem kann ich auf keinen Fall auf das Buch in meiner Liste verzichten. Einfach, weil ich es (und Hornby generell) viel zu gern habe. Früher war es noch einfacher, in Wohnungen beim ersten Besuch einen unauffälligen Blick, in einem günstigen Moment, auf das CD-Regal zu werfen. Kurz die Bands anzusehen und sich eine Vorstellung vom Gegenüber zu machen. Mein Geburtsdatum verrät, dass ich noch zu der Generation der Kassettenmädchen gehöre (die jungen Menschen unter Ihnen mögen jetzt kurz Google befragen) und natürlich Musik immer eine elementare Rolle spielte und heute noch spielt. Außerdem ist das Leben viel leichter, wenn man Dinge in Listen sortieren kann. Dann hat alles einen Sinn, und sei es nur, einen Punkt auf der Liste zu erfüllen. Vielleicht hat man manchmal als Frau sogar eine kurze Vorstellung, was in einem Männergehirn tatsächlich so alles passiert, oder eben auch gerade nicht. Deswegen mag ich diesen Roman über Rob, seinen Plattenladen, gescheiterte Beziehungen und Musik, immer wieder Musik. Für mehr Listen, für mehr Hornby, für mehr Musik.

Autor: Nick Hornby

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