Nico Lumma

Neulich wurde ich gefragt, ob ich nicht auch mal fünf Bücher präsentieren könnte. Natürlich habe ich euphorisch zugesagt und jetzt, nach ein paar Jahren, habe ich meine Liste der fünf Bücher wirklich zusammengestellt. Ich habe mich damit tatsächlich schwerer getan als gedacht und grübelnd vorm Bücherregal gestanden, weil ich Bücher vorstellen wollte, die mir wirklich etwas bedeuten, die mein Denken beeinflusst haben oder wenigstens einen Aha-Moment auslösten. Alle Bücher habe ich in den 90ern gelesen, was nicht heisst, dass ich danach keine Aha-Momente hatte, aber irgendwie haben mich die „späteren“ Bücher nicht so beeindruckt wie diese fünf Bücher, die ich alle mehr als nur einmal in der Hand hatte. Die Auswahl hat stark mit meinen beiden Jahren in den USA zu tun, einmal als Austauschschüler 89/90 und einmal als Student der Politikwissenschaft und Geschichte 95/96 in Berkeley. Heute arbeite ich als freier Berater und Autor in Hamburg, bin stolzer Vater von drei Kindern und glücklich verheiratet mit meiner Frau. Ich blogge seit etlichen Jahren auf lumma.de und bin eigentlich seit 1995 nicht mehr offline gewesen.

On the Road

On the Road: Die UrfassungKein anderes Buch habe ich so oft gelesen wie On the Road. Für mich ist On the Road ein Buch, dass ich immer wieder neu lese und bei dem ich immer wieder neue Facetten entdecke, aber auch ein Buch, dass für mich ein Bindeglied darstellt zwischen Epochen der amerikanischen Geschichte, die ich interessant finde. Letztendlich gibt es auch eine gewisse Verknüpfung mit Orten und Personen, die das Buch für mich interessant macht. Natürlich hatte Kerouac mich mit dem Satz „So I rushed past the pretty girls, and the prettiest girls in the world live in Des Moines, Iowa.“, denn als ich das Buch 1989 bei meinen Gasteltern im Bücherregal fand, wohnte ich in Des Moines und natürlich gingen alle davon aus, dass Kerouac von meiner damaligen Highschool schrieb. Zwar waren bereits einige Jahrzehnte vergangen, aber dennoch hob dieser Satz die Erwartungen an die Highschool-Zeit.

On the Road hat ein schnelles Erzähltempo und man spürt diese Unruhe, dieses Suchen nach etwas, die Rastlosigkeit der handelnden Personen, aber auch des Autors. Ich kann das gut nachvollziehen, vor allem diese innere Unruhe und das Nichtabfindenkönnen mit dem Status Quo. Später stellte ich fest, dass eine der Hauptpersonen des Buches, Dean Moriarty, der „in echt“ Neal Cassady hiess, mit den Merry Pranksters von Ken Kesey unterwegs war und dessen Geliebte, genannt Mountain Girl, die spätere Frau von Jerry Garcia, dem Frontmann der Grateful Dead war, eine Band, die ich früher sehr viel gehört habe. Selbstredend verbrachte ich während meiner Zeit in Berkeley Mitte der 90er Jahre viel Zeit im Cafe Vesuvio in San Francisco und in Lawrence Ferlinghettis City Lights Bookstore, um möglichst viel von den Überbleibseln der Beat Generation in North Beach aufsaugen zu können. Ein Highlight war eine Gedichtlesung von Ferlinghetti in Berkeley, da schloss sich 1996 ein Kreis, der 1989 mit dem ersten Lesen des Buches anfing, und dabei lese ich eigentlich nie Gedichte. Getoppt wurde das in meinen Augen nur noch von einem Kumpel von mir, der mit Allen Ginsberg in der Slowakei Anfang der 90er Schnaps soff, aber das ist eine andere Geschichte.

Das Buch endet übrigens mit diesem Satz, und den muss man einfach mal laut vor sich hinlesen, so eine schöne Sprachmelodie hat und so poetisch ist er: „So in America when the sun goes down and I sit on the old broken-down river pier watching the long, long skies over New Jersey and sense all that raw land that rolls in one unbelievable huge bulge over to the West Coast, and all that road going, and all the people dreaming in the immensity of it, and in Iowa I know by now the children must be crying in the land where they let the children cry, and tonight the stars’ll be out, and don’t you know that God is Pooh Bear? the evening star must be drooping and shedding her sparkler dims on the prairie, which is just before the coming of complete night that blesses the earth, darkens all the rivers, cups the peaks and folds the final shore in, and nobody, nobody knows what’s going to happen to anybody besides the forlorn rags of growing old, I think of Dean Moriarty, I even think of Old Dean Moriarty the father we never found, I think of Dean Moriarty.“

Autor: Jack Kerouac

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Where Wizards Stay Up Late

Where Wizards Stay Up Late: The Origins Of The Internet (English Edition)Mir wird oft nachgesagt, dass ich immer nur das Internet im Kopf habe. Das mag sein, denn ich finde es wirklich faszinierend und beschäftige mich seit gut 20 Jahren mit dem Internet in den unterschiedlichsten Facetten. Die Entstehungsgeschichte des Netzes wird von Katie Hafner in „Where Wizards stay up late“ erzählt und es hat mir durchaus geholfen, zu verstehen, warum die Struktur des Netzes so ist, wie sie sich entwickelt hat. Der größte Teil des Buches handelt von den Menschen und Ideen, die in den 60er und 70er Jahren dafür sorgten, dass in Forschungseinrichtungen des Verteidigungsministeriums darüber nachgedacht wurde, wie Computer sich möglichst effizient vernetzen können, und zwar quer über den Kontinent hinweg. Ich habe das Buch Mitte/Ende der 90er gelesen, als ich mich selber ausgiebig mit Netzwerk-Technologie beschäftigte und mit Freunden Wohnheime in Göttingen vernetzte. Auch wenn das Buch nicht sehr technisch ist, so hat es mir doch geholfen, die Zusammenhänge sinnvoll einzuordnen und zu verstehen, warum einige Dinge so sind, wie sie sind. Und ja, ich war stolz wie Bolle und auch ein wenig aufgeregt, als ich vor Kurzem Vint Cerf, einem der Väter des Internets dann auch mal die Hand schütteln durfte.

Autorin: Katie Hafner

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Snow Crash

Snow Crash: RomanHiro Protagonist, wenn die Hauptfigur des Buches schon so heisst, dann kann das Buch nur gut werden. Snow Crash ist quasi das Anleitungsbuch für alles, was sich seit 20 Jahren mit virtueller Realität auseinandersetzt. Viele Begriffe, auf die man immer wieder trifft, haben in diesem Buch ihren Ursprung oder wurden durch das Buch geprägt, wie z.B. das Metaversum oder der Avatar. Das Metaversum kann man durch ein dezentes Gehirn-Implantat direkt nutzen, aber für die unteren Schichten gibt es spezielle Terminals oder Brillen, Orculus Rift, ick hör dir trapsen. Der Begriff Snow Crash beschreibt quasi den totalen Absturz eines Menschen, wenn also die Software im Kopf einen Fehler macht. Snow Crash ist ein faszinierendes Buch, weil es so viele Ideen vorweggenommen hat, die nun so langsam Realität werden könnten. Allerdings ist Snow Crash auch eine riesige Warnung, was passieren kann, wenn wir digitale Technologie munter vorantreiben, ohne uns Gedanken über die möglichen Folgen für unsere Gesellschaft zu machen.

Autor: Neal Stephenson

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The Feminine Mystique

The Feminine Mystique (50th Anniversary Edition)Zwar bin ich in einem Haushalt mit viel feministischer Literatur aufgewachsen, aber gelesen habe ich das alles nicht. Meine Mutter sorgte dafür, dass ich das Konzept auch so verinnerlichte. Das Buch Feminine Mystique ist quasi der Feminismusklassiker in den USA und ich durfte es in der Highschool lesen. Ein tolles Buch, das von einer Frau geschrieben wurde, die mit der veränderten Rolle der Frau in den USA nach dem Zweiten Weltkrieg unzufrieden war. Die es nicht akzeptieren wollte, dass nun Frauen nicht mehr in der Produktion tätig sein sollten, sondern sich nach Ende der Kriegswirtschaft wieder ihren Männern unterzuordnen hätten und sich um den Haushalt kümmern sollten. Die dadurch generell die Rolle der Frau untersuchte und einen für die damalige Zeit unglaublichen Anspruch formulierte: Gleichberechtigung. Der Widerhall des Buches war immens und hat es immerhin bis zum Lesestoff in Schulen geschafft. Mich hat das Buch damals tief beeindruckt, weil Friedan eindrucksvoll die Situationen der Frauen in den amerikanischen Suburbs schilderte, die ich eher trostlos fand. Aber irgendwie machte Friedan auf mich einen sympathischeren und pragmatischeren Eindruck als Alice Schwarzer, was vermutlich erklärt, warum ich die feministische Literatur zuhause nie gelesen habe.

Autorin: Betty Friedan

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The Lost Continent: Travels in Small Town America

The Lost Continent: Travels in Small-Town America (Bryson)Auf einem Ausflug nach London Anfang der 90er sah ich in einer der Buchhandlungen an der Charing Cross Road die üblichen Regale mit den Bestsellern und Empfehlungen. Eines der Bücher war The Lost Continent: Travels in Small-Town America von Bill Bryson. Bei dem Buch handelt es sich um Geschichten von Reisen quer durch die USA, zu Gegenden, in die man sonst nicht kommt und in denen das normale amerikanische Leben stattfindet. Eigentlich interessierte mich das Thema nicht so sonderlich, schliesslich war ich gerade in England, aber ich wollte den Nachmittag im Hyde Park mit einem Buch verbringen, also nahm ich es aus dem Regal, las die erste Seite und stellte fest, dass der Autor von „meiner“ Nachbarschaft in Des Moines, Iowa schrieb, wo er aufgewachsen war. Wenn ein Autor quasi eine Querstrasse weiter gelebt hat und dann noch das Buch mit den Worten „I come from Des Moines, somebody had to“ einleitet, dann ist meine Aufmerksamkeit plötzlich da. Das Buch schildert in vielen Episoden das Leben in den USA und zeigt Menschen, wie sie eben so sind, mit allen Schrulligkeiten und vielen liebenswerten Facetten. Dazu kommt der feine, oft selbstironische Humor von Bill Bryson, der mir zu ordentlichem Lesevergnügen geholfen hat.

Autor: Bill Bryson

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