Natascha Zeljko ist Co-Founderin und Chefredakteurin von FemaleOneZero, einer Editorial Webseite, die sich mit Themen wie Diversity, Digitalisierung und female Empowerment beschäftigt. Davor arbeitete sie 13 Jahre lang bei der Frauenzeitschrift „myself“, zuletzt als stellvertretende Chefredakteurin. Als Kind hat sie die Stadtbücherei leergelesen, heute das Internet (bevorzugt Twitter). Eigentlich mag sie solche Formate nicht – fünf Bücher aus unendlich auszuwählen, das ist höhere Mathematik. Was unterm Strich rauskommt:
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Jeder stirbt für sich allein
Plötzlich stand das Buch vor ein paar Jahren auf der Spiegel-Bestsellerliste, nachdem die ungekürzte Originalfassung von 1947 wieder neu aufgelegt worden war. Ein Glück, denn sonst wäre es wohl ewig eines der Bücher aus der „muss ich irgendwann noch lesen“-Kategorie geblieben. Aber was nützt die Liebe in Gedanken? Falladas Buch über die wahre Geschichte des Berliner Arbeiter-Ehepaars Otto und Elise Hampel, das ebenso mutig wie aussichtlos mit Postkarten-Flugblättern gegen das Naziregime kämpft, ist eines der erschütterndsten Bücher, das ich je gelesen habe. Die Gnadenlosigkeit, mit dem sich die beiden auf die unausweichliche Katastrophe zubewegen, der nüchterne, schnörkellose Stil, mit dem Fallada das erzählt, entwickelt einen enormen Sog. Ganz große Literatur.
Autor: Hans Fallada
Als wir unsterblich waren
Jetzt hat ja jeder so Phasen in seinem Leben. Der Soundtrack meiner Indie-, Glamrock- und Neo-Punk-Zeit in den Nullerjahren ist Parsons Hymne an das wilde London der 70er Jahre. Das Buch spielt in einer Nacht, dem 16. August 1977 – es ist die Nacht, in der Elvis stirbt. Es soll eine dramatische werden für die drei Freunde Terry, Ray und Leon, die alle, (wie Parsons ehemals auch) Redakteure bei einem Musikmagazin sind. Wer mal wieder einen aufregenden Abend auf der Couch verbringen will, schnappt sich diesen Roman. Yeah.
Autor: Tony Parsons. Übersetzer: Christian Seidl
Auch genannt von: Jörgen Camrath
Erinnerung, sprich
Dieses Buch hat mich herausgefordert wie kaum ein zweites – abgesehen vielleicht von dem immer noch (clears throat) unvollendeten „Zauberberg“ von Thomas Mann. Ich brauchte drei Anläufe. Aber dann! Die Lebenserinnerungen des russischen Romanciers umfassen die Jahre 1903 bis 1940, seine Kindheit in Russland und die Jahre im Exil. Warum das Buch auf jeder, wirklich jeder meiner „All Time Favorits“-Listen landet, ist Nabokovs Poesie, die narrative Brillanz und stilistische Wucht, mit der er seine Familiengeschichte vor den dramatischen Verwerfungen des 20. Jahrhunderts ausbreitet. Und so folgt man ihm sogar beglückt bei scheinbar öden Dingen wie der Schmetterlingsjagd. Bei Nabokov wird das zum Ereignis. Jetzt, wo ich darüber schreibe: Ich werde es einfach noch mal lesen.
Autor: Vladimir Nabokov. Übersetzer: Dieter E. Zimmer
Das achte Leben (Für Brilka)
Familiengeschichten sind überhaupt mein Ding. Gerne dann gleich im XXL-Format wie in dem Epos der georgischen Starautorin Nino Haratischwili. Ein Jahrhundert auf über 1000 Seiten, auf denen sich Lebens- und Zeitgeschichte verflechten zu einem wunderbaren Roman. Und was man da alles erfährt! Von der Blütezeit Tiflis‘ um 1900, den politischen Umwälzungen nach der Oktoberrevolution bis hin zur Neuzeit in der postkommunistischen Ära. Das ist ganz großes Kino. Wäre auch ein sensationeller Film.
Autorin: Nino Haratischwili
Die Wasserfälle von Slunj
Zum Schluss – das ist meinen slowenischen Wurzeln geschuldet – noch ein kleiner Ausflug in die k&k-Monarchie. Heimito von Doderer gilt – obwohl ein Hochkaräter unter den Autoren des frühen 20. Jahrhunderts – immer noch als Geheimtipp. Wer Epsiodenfilme liebt wegen ihres dramaturgischen Kniffs, unsichtbare Bande zwischen völlig fremden Menschen zu knüpfen, wird auch diesen Roman mögen. Die zentralen Figuren des Romans, der am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Wien spielt, sind der britische Industrielle Robert Clayton und seinen Sohn Donald – das klassische Gegensatzpaar Macher-Loser. Die eigentlichen Hauptfiguren sind aber die Nebenfiguren, allen voran die beiden Prostituierten Fini und Feverl, die mit der sehr, sehr besonderen Doderschen Ironie den Roman zu einem großen Vergnügen machen.
Autor: Heimito von Doderer. Vorwort: Eva Menasse