Katrin SeddigKatrin Seddig ist als Kind öfter von ihrer Mutter ausgesperrt worden, damit sie nicht verrückt würde (vom auf dem Bett-Rumliegen-und-Lesen) und frische Luft einatmete, sowie sich körperlich betätigte. Jetzt ist sie Autorin beim Rowohlt Verlag und atmet auch freiwillig manchmal frische Luft und manchmal betätigt sie sich auch körperlich. Ihr aktuelles Buch heißt „Eheroman“ (Rowohlt Berlin, März 2012) und handelt tatsächlich von der Ehe. Sie wohnt in Hamburg und hat zwei entzückend pubertierende Kinder.

Die Rabbit-Pentalogie

Die Rabbit-PentalogieDas erste Buch sind fünf Bücher, nämlich die Rabbit-Reihe von John Updike (verschiedene Ausgaben von rororo). Man muss sie alle lesen von „Rabbit, Run“ (Hasenherz) bis zu „Rabbit Remembered“ (Rabbit, eine Rückkehr). Warum man sie lesen muss? Weil sie großartig sind. Ich habe sie mehrmals gelesen, ich habe sowieso alles von Updike gelesen und ich empfehle auch den ganzen Rest von den Romanen bis zu den Erzählungen von vorne bis hinten. Wenn man aber nicht alles lesen will, dann sollte man zumindest Harry Angstrom kennenlernen, den großen, kleinen Mann, der so vieles falsch macht und leidet und im Kleinen verhaftet bleibt, der sich sehnt und der von Roman zu Roman altert, den man in all diesen schmerzhaften Prozessen aufs Genaueste begleitet, dessen Verfehlungen schonungslos und doch menschlich und voller Mitgefühl seziert werden. Jeder Sonnenstrahl und jedes Staubkorn, der Müll vor der Tür und die Enttäuschung im Herzen, Rabbit in seiner Banalität, seiner Gier und seinem Egoismus, aber auch in seiner Fähigkeit zu Mitgefühl und Dankbarkeit. Wenn er auf der ersten Seite von „Hasenherz“ die Straße entlang geht und bei einem Basketballspiel von Jugendlichen bereits seine verlorene Jugend betrauert, dann ist der ganze Rest der Handlung schon vorweggenommen und das Spiel wiederholt sich nur in Variationen. Ich könnte das jetzt auch noch ganz genau erklären, aber ich fürchte es wird zu lang für das Format. Die Rabbit-Bücher sind für mich allerdings sicher noch für lange Zeit die Nummer eins unter meinen Lieblingsbüchern.

Autor: John Updike. Übersetzer: Maria Carlsson, Barbara Henninges, Kai Molvig.

Sturmhöhe

SturmhöheEmily Brontë, „Sturmhöhe“ (Wuthering Heights), manesse im dtv, 1992, übersetzt von Siegfried Lang: Sturmhöhe habe ich dieses Jahr zum ersten mal gelesen und ich bin noch immer nachhaltig beeindruckt. Die Geschichte um Heathcliff und Catherine ist, nüchtern betrachtet, übertrieben, aufgebauscht, pathetisch überhöht und romantisiert. Man kann sich vorstellen, wie eine junge Emily Brontë in ihrem Kämmerchen sitzt, sich eine derartige Liebe erspinnt und sich ihren Fantasien darüber vollkommen hingibt. Ebenso geht es allerdings mir, wenn ich das lese. Ich kann mich dem, was sie erschaffen hat, trotz aller Häme, die ich für solche Gefühle habe, nicht entziehen, weil sie es zu gut gemacht hat. Während ich mit Catherine durch das Hochmoor von Yorkshire reite, während ich dem Drama ihrer Liebe beiwohne, muss ich zugeben, dass Frau Brontë etwas erschaffen hat, was über spannende Unterhaltung (und das ist es auch und nicht zuletzt, schaurig und spannend) weit hinausgeht. So, wie sie es schreibt, ist es wahr, weil es gut ist. Die dunkle Seite der Liebe, die großen Gefühle, das große Drama, das Weltferne, die Überhöhung der Gefühle, das geht alles, weil sie unerbittlich mit ihren Charakteren ist, fast mitleidlos. Ihr Heathcliff ist nicht nett, ihre Catherine keine Märtyrerin, und Liebe ganz allgemein ist auch das: zerstörerisch, rücksichtslos (unsinnig?).

Autorin: Emily Brontë

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Stolz und Vorurteil

Stolz und VorurteilJane Austen, „Stolz und Vorurteil“ („Pride and Prejudice“), Kiepenheuer von 1990, übersetzt von Werner Beyer: Das Buch habe ich zum ersten mal gelesen, als ich etwa zwanzig war, ein sehr gutes Alter, um das Buch zu lieben. Inhaltlich ist einiges veraltet, aber wenn man die gesellschaftlichen Umstände einmal als gegeben hinnimmt, dann liest man eine witzige, genaue, sehr kluge Geschichte. Die Figuren sind fein gezeichnet, einfühlsam und in ihren inneren Verstrickungen und ihren Zweifeln nachfühlbar. Der ganze Roman ist fein durchzogen von dem klugen Austen’schen Humor und einer Haltung von menschlicher Großzügigkeit und Güte. Dargestellt werden Menschen, die mit ihren Schwächen und ihren Eitelkeiten zu kämpfen haben, die sich zwischen gesellschaftlichen Konventionen und Neigungen winden, wie das zu allen Zeiten so gewesen ist, auch wenn sich jede nachfolgende Zeit unendlich freier und moderner vorkommt. Der Geist (einer Jane Austen zum Beispiel) ist das aber schon immer gewesen.

Autorin: Jane Austen. Übersetzerin: Karin von Schwab.

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Sämtliche Maigret-Romane

Sämtliche Maigret-GeschichtenGeorge Simenon, Sämtliche Maigret-Romane (Ich besitze die Diogenes Ausgabe, 2008, in revidierten Übersetzungen, verschiedene Übersetzer): Ich weiß nicht, welchen ich herausstellen soll, zumal ich noch gar nicht am Ende der Reihe von 75 Bänden angelangt bin. Tatsächlich gibt es Schwächere und Bessere darunter. Als Gesamtwerk möchte ich die Maigret-Romane aber unbedingt empfehlen. Es klingt etwas abgelutscht und es wird mittlerweile von so vielem belanglosem Müll behauptet, dass er süchtig mache, deshalb mag ich es fast gar nicht sagen, aber mir ging und geht es so, dass ich verrückt nach Maigret bin, und das schon lange. Was ist er für ein Mann! So groß, so breit, so wortkarg und so Alkoholiker! Wie kann er stumm leiden, wenn er in der Kälte steht, wie kann er die Leute vor den Kopf stoßen, weil er keine Auskünfte erteilt, wie seine Frau ärgern, wenn er nicht zum Essen nach Hause kommt und nicht einmal Bescheid sagt! Aber über Menschen weiß er alles. Und wenn er was nicht weiß, dann lebt er ein Stück ihr Leben, bis er versteht und dann weiß er auch wie die Dinge sich zugetragen haben. Mit Maigret taucht man in Millieus unterschiedlichster Natur, meist armer Leute, Schleusenwärter und Barmädchen, aber auch Bürgermeister der Provinz und Erben von Vermögen. Simenon skizziert in wenigen Sätzen einen Ort ganz meisterhaft, man sitzt sofort im Nebel der Saine, auf einer Bierterrasse an der Loire, in einem bürgerlichen Wohnzimmer man taucht sofort in die Umgebung ein. Ich könnte ein paar Bücher darüber schreiben, warum das alles so toll ist. Es ist atmosphärisch, es ist spannend, es ist klug und voller Verständnis für menschliche Lebenslagen, aber auch unerbittlich wie das Leben. Es wird nichts geschönt, nichts erspart, niemand wird verurteilt und darum geht es auch gar nicht. Es gibt keinen Triumph, wenn der Täter gefasst worden ist, es gibt nur ein Seufzen, ein Verstehen und eine Traurigkeit. Es sind im Grunde Geschichten über das Leben, in immer wieder neuen Variationen.

Autor: Georges Simenon. Übersetzer: Wolfram Schäfer (Band 1)

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Romane und Erzählungen in drei Bänden

Romane und Erzählungen in drei BändenFontane, „Romane und Erzählungen in drei Bänden“, Hanser, das Jahr fehlt: Es ist vielleicht etwas unentschlossen von mir, hier so viele gesammelte Werke vorzustellen. Aber es geht für mich nicht anders. Es gibt keinen „Renner“ unter den Sachen, die Fontane geschrieben hat (Vielleicht gibt es ihn, für jemand anderen). Der „Stechlin“ zum Beispiel, hat keinen dollen Spannungsbogen. In den Erzählungen passiert meist nicht so viel. Ich kenne ein paar Leute, die Fontane langweilig finden. Das können sie meinetwegen und es soll auch erlaubt sein. Ich finde allerdings Fontane ganz groß. Zum einen ist es eine Freude, Fontane zu lesen wegen seiner, (deutschen) Sprache. Ich kann sowieso nur wirklich die Sprache schätzen, die meine eigene ist und die Fontanes ist für mich sehr schön. Dann, zum Anderen, wegen seiner Dialoge, seine Dialoge sind fein und voller Witz, er ist ein Meister des Dialoges. Dann aber, und darin ist er ganz groß, wegen der Psychologie seiner Figuren. Ich habe manche Sachen mehrmals lesen müssen, um dahinter zu kommen, wie er mir die Informationen über die Personen zugetragen hat, ich bin aber nicht dahinter gekommen. Dass jemand in jemand anderen verliebt ist, wird mir so heimlich zugetragen, dass ich es nicht einmal nachlesen kann. Ist es der Glanz auf dem Klavier, der Klang eines Instrumentes, eine Bewegung, ein Satz, der sich auf ganz Anderes bezog, aber dem Geliebten galt?Diffizile Verhältnisse an den Leser zu bringen, heimlich und spitzbübisch, darin ist Fontane, meiner Meinung und meinem (beschränktem) Leserwissen nach, unübertroffen.

Autor: Theodor Fontane