Jens Thoben ist Solo-Klarinettist an der Deutschen Oper am Rhein und lässt sich gerade am Lichtenberger® Institut für angewandte Stimmphysiologie ausbilden, war aber auch schon Interims-Buchhändler und betrachtet sich als AIDS-Hilfe-Zivi auf Lebenszeit. Er macht schriftlich immer zu viele Worte und genießt das sehr. Wenn sich aufgrund dieses Beitrags hier ein/e reiche/r Gönner/in fände, so dass er nur noch lesen und aus purem Spaß Klarinette spielen könnte, würde er sich je nach Wunsch durch tägliches Kuchenbacken, sexuelle Dienstleistungen oder interessante Gespräche erkenntlich zeigen.
Andere Stimmen, andere Räume
Diesen makellosen Text hat der begabte Mistkerl schon mit 24 geschrieben. Flammende Kinderfiguren stehen im Zentrum der Handlung, spannend, surreal, grausam und erotisch. Sprachlich luxuriös, feinstes Southern Gothic. Katapultierte Capote über Nacht an die Spitze des amerikanischen Literaturbetriebs. Kein und Abers gebundene Ausgabe ist unglaublich elegant und trägt dem Erscheinungsjahr 1948 dezent Rechnung: Typo, Papier, der schimmernde Einbandstoff, alles ist wunderschön und passt perfekt.
Autor: Truman Capote. Übersetzerin: Heidi Zerning.
Oblomow
Hat mich fertig gemacht. Klassisch und knallmodern. Man erlebt, wie Oblomow, gute Seele, besten Willens, bloß aus sich heraus schwach, diffus und ängstlich, über 750 durchaus unterhaltsame Seiten sowohl in der Liebe wie im Leben vor die Hunde geht. Das macht ihn zum (sympathischeren) Bruder von Flauberts nicht minder grandioser Madame Bovary. Eine Apotheose des Scheiterns und bis heute ein kräftiger Tritt in den Hintern, der so richtig wehtut.
Autor: Iwan Gontscharow. Übersetzerin und Herausgeberin: Vera Bischitzky.
Bartleby the Scrivener
Schlank, stringent, rätselhaft, absurd komisch und gleichzeitig bodenlos trist. Ein literarischer Schlüssel zur Moderne, wichtiger als Moby Dick. Das Vorbeben zu Kafka. Geht eigentlich nur im Original, weil das berühmte „I´d prefer not to“ kaum wiederzugeben ist. Wenn aber doch auf Deutsch, dann nur in der Übersetzung von Karlernst Ziem bei C. H. Beck mit dem feinen Nachwort von Wilhelm Genazino (dessen eigene Bücher zu lesen ebenfalls schön genutzte Lebenszeit ist).
Autor: Herman Melville
Tao-Te-King
Hier steht, worum/wie es wirklich geht. Es existieren gefühlt eine Million Ausgaben dieses uralten, an sich unübersetzbaren Textes, die sich stark unterscheiden. In der Übertragung von Knospe und Brändli gelingt für mich der Versuch, das Nicht-Nennbare durch Umzirkelung klar werden zu lassen. Und wie nebenbei entsteht ein rhythmischer hypnotisierender lyrischer Text, den zu lesen ein Genuss ist.
Autor: Lao Tse
Improvisation und Theater
Das Kernwerk des Begründers von Theatersport und Improvisationstheater ist viel mehr als Standardlektüre für Schauspieler. Es liest sich komisch und spannend, wie eine Mischung aus Biographie, Workshop-Bericht und Thriller (letzteres v.a. im Schlusskapitel, „Masken“). Wer unsere Beziehungen und die alltägliche Kommunikation miteinander in einem neuen Licht erleben will, außerdem wissen möchte, wie man das elende Richtigmachenwollen läßt und seine Kreativität entfesselt, muss das lesen.
Autor: Keith Johnstone. Übersetzerin: Petra Schreyer.