Andrea Steverding ist Leiterin für Kommunikation und Marketing bei der Strategieberatung Oliver Wyman in DACH. Ihre Karriere als begeisterte Leserin begann sie frühzeitig zwischen Asterix und Obelix sowie Enid Blytons Fünf Freunden. Über die Jahre sind ihre Interessen deutlich vielfältiger geworden.
Fräulein Nettes kurzer Sommer
Was hat Annette von Droste-Hülshoff mit #MeToo zu tun? Sehr viel! Karen Duve ist ein außergewöhnliches “Porträt einer Schwierigen” gelungen. Es geht um eine junge Intellektuelle im westfälischen Adel zwischen 1817 und 1821. Sie war in vielem ihrer Zeit voraus: eine begabte Dichterin mit scharfem Verstand und spitzer Zunge, aber ohne Rollenvorbilder. Sie wurde systematisch von weniger begabten Männern und einer konservativen Familie unterdrückt. “Fräulein Nette” ist ein zart erzählter Roman über die brutale Unterdrückung einer talentierten Frau – und eine Meisterleistung der Autorin.
Autorin: Karen Duve
Amalthea
Ein Astronomieprofessor nimmt an einer gepflegten Party in Kalifornien teil, geht nach draußen, blickt entspannt in den Himmel – und der Mond zerbricht in acht Teile! Diese umkreisen die Erde und es bleiben nur noch zwei Jahre, bis die Menschheit von einem apokalyptischen Steinregen heimgesucht wird, der weitere 5.000 Jahre andauern wird. Die meisten Menschen ignorieren die tödliche Gefahr, aber knapp 2.000 Menschen flüchten via Space Shuttle auf die internationale Raumstation – inklusive US-Präsidentin. Wie sich diese Katastrophe entwickelt, ist Science Fiction vom Feinsten, aberwitzig und spannend erzählt.
Autor: Neal Stephenson. Übersetzer: Nikolaus Stingl & Juliane Gräbener-Müller.
Die Erfindung des Lebens
Es geht um die berührende Geschichte eines Jungen, der die ersten sieben Jahre seines Lebens sprachlos bleibt. Johannes ist das einzig überlebende Kind einer traumatisierten Mutter, die nach dem tragischen Verlust von vier Söhnen stumm geworden ist. In der Folge spricht der Junge ebenfalls nicht. Erst langsam kann er sich durch die Musik und vor allem durch den liebevoll unorthodoxen Sprachunterricht des Vaters befreien. Nach einer gescheiterten Pianistenkarriere kommt er schließlich zum Schreiben. Es ist eine wunderbare Geschichte über den Verlust sowie die Erfindung der Sprache – und damit des Lebens.
Autor: Hanns-Josef Ortheil
Wir sind dann wohl die Angehörigen
Deine Mutter weckt Dich morgens und erzählt Dir, dass Dein Vater entführt wurde. Es ist 1996. Du bist 13 Jahre alt, Dein Zuhause wird zu einer polizeilichen Einsatzzentrale und Du durchlebst 33 dramatische Tage. Und Dein Vater: Er ist der bekannte Literaturwissenschaftler und Millionenerbe Jan Philipp Reemtsma. Die Beziehung zu ihm war nie ganz einfach und zu allem Übel hattest Du sehr lange ein schlechtes Gewissen wegen Deines ersten Gedankens bei der Entführungsnachricht: “Gott sei Dank, ich muss die Lateinarbeit heute nicht schreiben.” Jahre später beschreibt der Sohn seine Version der Entführung – und irgendwie ist es auch eine besondere Liebeserklärung an den Vater.
Autor: Johann Scheerer
Das Unbehagen im Frieden. Die neue Lust am Leid
Dieses kleine Sachbuch widmet sich einer großen Frage: Kann es sein, dass uns nach einer Zeit des wirtschaftlichen Wohlstands langweilig wird und wir deshalb stärker ins Risiko driften? Die beiden Autoren erklären aus sozialpsychologischer Sicht, warum und wie gesellschaftlicher Wohlstand zu Übermut führen kann und welche drastischen Konsequenzen daraus folgen können. In Zeiten von wachsendem Populismus und Rechtsruck, Fake-News-Diskussion, drohendem Brexit sowie Digitalisierung regen die wissenschaftlichen Erkenntnisse und zahlreiche griffige Beispiele sehr zum Nachdenken an.
Autoren: Peter Fischer und Eva Lermer.