Journelle wurde 1976 in Würselen bei Aachen geboren und wuchs im westlichsten Zipfel Deutschlands auf. Später lebte sie in den USA, Italien und Köln, bevor sie an der Elbe Wurzeln schlug, eine Familie gründete und einen Bürojob annahm. Aus psychohygienischen Gründen bloggt sie seit 2004 über “Ficken, Fressen, Feminismus”, hält gern Vorträge und schreibt ab und zu als freie Autorin. Seit gut drei Jahren hat sie ihre Leidenschaft fürs Schwimmen wieder aufgenommen und würde am liebsten in jeden Pool, Teich, See oder in jedes Meer hüpfen und sich darüber in der “Gesellschaft für schönes Schwimmen” austauschen.
Gilgi – eine von uns
Das Buch geriet eher zufällig in meine Hände. Es lag als etwas vergilbte Taschenbuchausgabe im Bücherregal meiner Eltern. Wahrscheinlich blieb ich an dem Buch nur wegen des ungewöhnlichen Namens “Gilgi” hängen. Kaum hatte ich aber die ersten Seiten gelesen wusste ich, dass ich ein Kleinod in den Händen hielt. Die Sprache von Irmgard Keun ist so lakonisch, so unterhaltsam, dabei so klar und vulgär, dass ich nach jedem Satz klatschen wollte. Aber nicht nur die Sprache gefiel mir gut, sondern auch die Geschichte der jungen Gilgi, die ihr Leben selbstbestimmt gestalten und aufbauen möchte. Ich konnte kaum glauben, dass sich die Probleme und Themen von Gilgi in den 20er und 30er Jahre kaum von denen unterschieden, die mich Jahrzehnte später in den 90ern auch bewegten. Keun wurde mit diesem Buch zu meiner literarischen Entenmutter, mir war klar, sollte ich jemals schreiben, dann nur so wild, laut und unterhaltsam, dass es auch einer Keun gefallen könnte.
Autorin: Irmgard Keun
Bewohnte Frau
Die bewohnte Frau spielt in einem fiktiven südamerikanischen Land und hat zwei Erzählstränge. In dem einen geht es um Lavinia, eine junge Frau aus gutbürgerlichem Hause, die zur Widerstandskämpferin gegen ein diktatorisches Regime wird. Im Zentrum des anderen Erzählstrangs steht eine indigene Frau, die im 16. Jahrhundert gegen die spanischen Konquistadoren kämpfte. Sie wird als Orangenbaum wiedergeboren, der vor dem Haus von Lavinia steht. Für mich hat das Buch drei Elemente, die ich bis heute in Filmen, Serien und Büchern schätze: die Protagonistin ist weiblich und als mutige Kämpferin ein faszinierendes Rollenmodell. Die Protagonistin hat wilden leidenschaftlichen Sex – so zumindest in meiner Erinnerung – und das ganze Buch hat etwas magisch-mythisches. Während ich in meinem Leben keinen Platz für Mystisches habe, genieße ich Übernatürliches in der Fiktion sehr.
Autorin: Gioconda Belli. Übersetzer: Lutz Kliche.
Im Anfang war der Wasserstoff
Als ich meiner Familie schrieb, dass meine amerikanische Gastfamilie fundamentalistische Christen sind, die möchten, dass ich drei Mal wöchentlich mit ihnen in die Kirche gehe und dass sie nicht an die Evolution glauben, packte mir mein Bruder ein geistiges Überlebenspaket. Darin enthalten waren unter anderem “Die Kunst des Liebens” von Max Frisch und “Im Anfang war der Wasserstoff” von Hoimar von Ditfurth. Ditfurths gut verständliche und spannende Geschichte über die Entstehung des Weltalls und der Welt im Laufe von Milliarden von Jahren, hatte eine sehr beruhigende Wirkung auf mich. Ich fühlte mich nicht mehr allein. Die Menschen um mich herum verweigerten die Fakten, aber ich konnte dies nun ausblenden und musste mich nicht mehr selbst in Frage stellen. Ditfurth lehrte mich also nicht nur was ein Urknall ist, sondern auch Ambiguitätstoleranz. Und bis heute beruhigt meinen Geist kaum etwas so sehr, wie (populärwissenschaftliche) Texte über die Entstehung des Universums, über schwarze Löcher oder Quantenphysik.
Autor: Hoimar von Ditfurth
Maria Stuart
Ich mag sehr gern Biografien. Von dem Leben anderer Menschen zu lesen, hat für mich einen ganz besonders großen Reiz. Und Stefan Zweig ist der Meister der Biografien. Wenn ich seine Bücher lese, habe ich immer das Gefühl, dass er voller Liebe und Begeisterung für seine Charaktere war. Wie ein guter Schauspieler, der sich in die darzustellenden Figur begibt, scheint auch Zweig beim Schreiben völlig in die Lebenswelt dieser Personen abgetaucht zu sein. Dabei versuchte er nie, zu vereinfachen und simple Erklärungen für das Verhalten seiner Protagonisten finden. Sein Ziel war es, die Facetten einer historischen Figur herauszuarbeiten, ihrem komplexen Charakter und ihrer Menschlichkeit gerecht zu werden. Besonders gut gelang ihm das bei “Maria Stuart”. Bis ich Zweigs Buch über sie gelesen hatte, war sie für mich nicht mehr als ein historischer Sidekick von Elisabeth I. Sein literarisches Gemälde über Maria Stuart und ihr Leben hat mein historisches Bild von ihr grundlegend geändert.
Autor: Stefan Zweig
Auch erwähnt von: Irina von Bentheim
Bahnen ziehen
“Bahnen ziehen” erhielt ich als Geschenk von meiner Mutter. Das Buch war ihr für mich von der Schwiegertochter ihrer besten Freundin empfohlen worden. Dabei kannte mich diese ausschließlich aus Erzählungen und über mein Blog. Mich erstaunte und erstaunt diese Treffsicherheit. Lianne Shapton war als Jugendliche Leistungsschwimmerin und schreibt über ihr Leben im Verhältnis zum Wasser und zum Schwimmen. Dabei beinhaltet das Buch nicht nur Erzählungen, sondern auch Zeichnungen, Aquarelle und Fotos. Es ist ein kostbares Kunstwerk. Ich wollte jede Seite ehrfürchtig streicheln. Die Lektüre inspirierte mich zudem, meinen Spaß am Schwimmen nicht nur unter einem sportlichen Aspekt zu sehen, sondern in ein ganzheitliches Narrativ zu setzen.
Autorin: Leanne Shapton. Übersetzerin: Sophie Zeitz