Meike Leopold lebt seit fast 20 Jahren in München, ist als gebürtige Flensburgerin aber ein echtes Nordlicht. Die studierte Germanistin und Anglistin kam Ende des vergangenen Jahrtausends über Umwege in die IT-Branche. Seither ist sie in diesem Umfeld als Journalistin, PR-Beraterin und Pressesprecherin tätig. Meikes Herz schlägt für die Online-Kommunikation. Deshalb schreibt sie auch wieder (als Studentin hat sie das fabelhafte Werk „Alte Gärten in neuem Gewand“ verfasst, das heute leider längst vergriffen ist. Ihr aktuelles Buch „Corporate Blogs – Praxistipps für Strategie, Inhalt und Ziele“ ist Ende 2013 bei O’Reilly erschienen. Privat bloggt Meike unter Start Talking. Für einen guten Roman nimmt sie eingeschlafene Arme und kalte Schweißfüße im Bett in Kauf. Sie vergießt auch schon mal ein Tränchen beim Abschied von Geschichten und Figuren, die ihr ans Herz gewachsen sind.
Jane Eyre
Jane Eyre von Charlotte Bronte ist definitiv eine der größten Liebesgeschichten der Weltliteratur! Dagegen ist Vom Winde verweht ein Arztroman. Nur Wuthering Heights von Charlottes Schwester Emily kann mithalten. ☺ Jane Eyre gehört zu den Büchern, die ich alle paar Jahre wieder lese. Jedes Mal interpretiere ich die Irrungen und Wirrungen in der Amour Fou zwischen der kleinen unscheinbaren Gouvernante Jane und ihrem wilden Mr. Rochester neu. Früher fand ich Mr. Rochesters verrückte erste Frau Bertha, die er auf dem Dachstuhl von Thornfield Hall versteckt, einfach nur lästig. Weil sie Jane und Rochester im Weg war. Heute finde ich es empörend, wie entmenscht Bertha dargestellt wird und sehe, dass Jane und Rochester ohne sie nie zusammen finden könnten. Genau das macht in meinen Augen ein gutes Buch aus – es enthüllt Lesern seine Facetten und Lesarten je nachdem, in welcher Lebenssituation sie sich gerade befinden. Ein Roman wie Jane Eyre übersteht alle Zeiten ohne Schaden – denn die Story ist größer als der zeitliche Rahmen, in den sie eingebettet ist.
Autorin: Charlotte Brontë. Übersetzer: Gottfried Röckelein.
Sturmflut
Sturmflut von Margriet de Moor ist definitiv ein Buch, das ich nicht weglegen konnte und nach zwei Tagen durchgelesen hatte. Die Geschichte fand ich richtig grausig – auch, weil ich sie am Meer gelesen habe. Anschaulich und sachkundig beschreibt de Moor die große holländische Flutkatastrophe im Winter 1953, bei der fast 2.000 Menschen ums Leben kamen. Beim Lesen hatte ich nicht einmal das Gefühl, dass die Autorin ein Fachbuch über eine Flutkatastrophe mit einer fiktiven Geschichte über zwei Schwestern angereichert hat, von denen eine das Schicksal ereilt, das eigentlich die andere hätte treffen sollen. Es ist ihr vielmehr gelungen, die private Tragödie von Armanda und Lidy glaubwürdig in die Schilderung der Sturmflut 1953 Weise einzubetten. So schafft sie einen mitreißenden Roman, in dem es um Schicksal, Schuld und Verstrickung geht. Mitreißend im wahrsten Sinne des Wortes ist die Beschreibung von Lidys nächtlicher Odyssee über die Insel Schouwen-Duiveland, bei der sie viele Menschen sterben sieht. Am Ende treibt sie ganz allein auf einer Holztür durch die kalten Fluten Richtung Nordsee in ihren sicheren Tod.
Autorin: Margriet de Moor. Übersetzerin: Helga van Beuningen.
Thanatos
Nachdem ich Thanatos von Helmut Krausser gelesen hatte, konnte ich mir nicht vorstellen, dass er noch etwas Besseres schreiben kann. Der „Held“ Johanser ist ein unangenehmer Charakter, dem man lieber nicht nachts begegnen will. Johanser hat sich auf der Schwäbischen Alb bei Tante, Onkel und Neffe eingenistet, weil seine Berliner Existenz als Fälscher von romantischen Texten hinüber ist und seine Ehe auch. Obwohl Johanser ein Ekelpaket ist, gelingt es Krausser, den Leser mit hineinzuziehen in dessen Delirium aus Suff (jeden Abend mindestens 2 Flaschen Weißwein auf dem Dachboden seiner Tante), sexuellen Phantasien und Mordgelüsten. Im Laufe der Zeit verliert Johanser immer mehr den Bezug zur Wirklichkeit. Neffe Benedikt durchschaut seinen Charakter und sein Treiben – und er hat eine hübsche Freundin, auf die es Johanser abgesehen hat. Dafür muss Benedikt am Ende mit dem Leben bezahlen. Die Mordszene an einem Kalksteinhang der Schwäbischen Alb ist brutal und ungeschminkt. Sie gehört zu den intensivsten Schilderungen, die ich bei einem deutschen Gegenwartsautor gelesen habe. Thanatos ist eine Art moderne Taugenichts-Story, allerdings von der ganz dunklen Sorte.
Autor: Helmut Krausser
Dracula
Als Studentin der Anglistik habe ich mich quer durch die einzigartige Gothic Fiction Großbritanniens gelesen. Toll, denn ich liebe Grusel! Gothic Novels waren und sind mein Steckenpferd. Die Briefromane konnte ich zwar nicht so gut leiden – trotzdem habe ich Dracula schon mindestens 20 Mal gelesen. Bram Stokers Roman hat dem Mythos des Vampirs zu Weltruhm verholfen. Das lag sicher auch daran, dass der erotische Unterton seinen viktorianischen Lesern gut gefallen hat. So ist Lucy einfach zu mannstoll, endet zur Strafe als Vampir und muss leider aus Notwehr von vier Männern geköpft werden. Während ihre Freundin Mina trotz ihrer unerhörten „Affäre“ mit Dracula am Ende noch eine faire Chance bekommt, wieder eine brave unbescholtene Haus- und Ehefrau zu werden. Der Viktorianismus war ungebremst technikgläubig. Manche Szenen sind deswegen unfreiwillig komisch. Zum Beispiel spenden vier (!) Männer der armen Lucy Blut, um sie vor dem bissigen Graf Dracula zu retten (Blutgruppe – WTF?).
Autor: Bram Stoker
Mrs. Dalloway
Ich bin was Literatur betrifft ziemlich anglophil. Viele meiner amerikanischen Lieblingsautoren der Gegenwart wie Franzen oder Safran Foer sind auf Fünf Bücher bereits zu finden. Deshalb bringe ich hier noch einen Klassiker. Wie James Joyce gehörte die Schriftstellerin Virginia Woolf zu den „Erfindern“ und Wegbereitern des „Stream of Consciousness“. In „Mrs. Dalloway“ wird ein Tag im Leben Londoner Lady der besseren Gesellschaft beschrieben. Das Buch hat schon in der Schule großen Eindruck auf mich gemacht. Äußere Ereignisse sind darin jeweils „nur“ Anlässe für tiefe Einblicke in den endlosen Gedanken- und Assoziationsstrom von Mrs. Dalloway – dafür reicht schon der morgendliche Einkauf von Blumen für ihre Dinner Party. Ich kann mich noch erinnern, wie einsam, traurig aber gleichzeitig auch autonom ich die Figur fand, als ich das Buch als Teenager zum ersten Mal gelesen hatte. Am besten gleich „A room of one‘s own“ dazu lesen!
Autorin: Virginia Woolf