Jo Lendle liest (ab 2014 als Hanser-Verleger) und schreibt (zuletzt „Was wir Liebe nennen“).
5? Von sämtlichen je erschienenen Büchern? Solche Fragen mag ich ja am liebsten. Dabei lassen sich Lieblingsbücher ebenso schlecht bestimmen wie Lieblingskinder. Bleiben zwei Auswege. Entweder man nennt die Bücher der Stunde, denen man gerade jetzt Vertrauen schenkt. Das wäre ohnehin meine Lieblingsverwendung für den Begriff „Liebling“. Nichts ist so intensiv wie der Moment einer Entdeckung. Oder man nennt die Lebensbücher, die ewigen Begleiter, die – abgenutzt wie ein angesabberter Teddy – immer schon da waren, seit Ewigkeiten nicht mehr hinterfragt oder nur hinter einem Schleier aus Rührung über das Vergehen der Zeit. (Jim Knopf vorlesen und erschrecken, wie kurz die Fahrt durchs einstürzende Tal der Dämmerung ist, die als Kind Stunden aus Todesangst bescherte.) Weil Momente so rasch wechseln, scheint mir das in diesem Fall die angemessenere Wahl zu sein. Hier also einige Bücher, mit denen ich einmal, vor jeder Verlagsarbeit, zu lesen gelernt habe.
Das Kopfkissenbuch einer Hofdame

Autorin: Sei Shōnagon. Illustratorin: Masami Iwata. Übersetzer: Mamoru Watanabé.
Schlechte Wörter

Autorin: Ilse Aichinger
Le grand cahier

Autorin: Ágota Kristóf
Übersetzen. Ein Vademecum

Autorin: Judith Macheiner
Das ungeschriebene Buch
Ein Buch, von dem man denkt, es sollte mal geschrieben werden. Jeder hat eine Vorstellung davon, aber keiner kennt es genau. Manchmal erwischt dich – im Park, unter der Dusche, beim Einschlafen – eine Ahnung, was darin stehen könnte, undeutlich wie der Lufthauch einer Seite beim Umblättern. Und viel zu kurz, um mitzuschreiben. Was schade ist, denn alles deutet darauf hin, dass es wirklich überwältigend ist, unerhört, ein Fest. Es gibt dieses Buch nicht, aber es sollte es geben.
