Im Leben von Werner Pohlmann haben Bücher schon immer eine große Rolle gespielt. Seit er lesen kann, ist kaum ein Tag vergangen, an dem er kein Buch in der Hand gehabt hätte. In seiner Ausbildung zum Schriftsetzer hat Werner Pohlmann gelernt, wie Bücher hergestellt werden, in seinem Grafikdesign-Studium lernte er, sie zu gestalten. Im Studium der Literaturwissenschaft setzte er sich wissenschaftlich mit Büchern auseinander und in seiner Arbeit im Buchhandel brachte er schließlich anderen Menschen die Welt der Bücher näher. Welche der vielen Bücher, die Werner Pohlmann in seinem Leben in Händen hielt, ihm auch besonders im Herzen geblieben sind, hat er uns verraten, auch wenn es ihm sicher nicht leicht fiel, eine Wahl zu treffen.
Haus ohne Hüter

Als katholisch erzogenes Kind der fünfziger Jahre, konnte ich mich als Jugendlicher mit vielem identifizieren, was dem zwölfjährigen Heinrich in diesem Buch widerfährt. In ärmlichen Verhältnissen aufwachsend, muss er früh Verantwortung übernehmen. Sein Freund Martin leidet zwar keine Not, muss aber mit ansehen, wie seine Mutter den Tod des im Krieg gefallenen Vaters nicht verwinden kann. Ich kenne kein anderes Buch, das einem die Nachkriegsjahre so nahe bringt, wie dieses. Ich selbst habe mit dem Lesen der Bücher Bölls meine Kindheit und letztlich auch den Katholizismus hinter mir gelassen.
Autor: Heinrich Böll
Besessen

Ich bin fasziniert davon, wie es Antonia S. Byatt gelang, über einen erfundenen Dichter des neunzehnten Jahrhunderts zu schreiben, und sogar seine Vers-Epen im romantischen Stil jener Zeit zu erdichten. Außerdem berühren mich die zwei komplizierten, miteinander verknüpften zarten Liebesgeschichten aus unterschiedlichen Jahrhunderten. Ich empfinde diesen Roman als Loblied auf die, die Bücher lieben.
Autorin: Antonia S. Byatt. Übersetzerin: Melanie Walz.
Was ich liebte

Aus der Sicht des Protagonisten Leo schildert Siri Hustvedt die Lebensentwürfe zweier befreundeter Künstlerfamilien. Durch Schicksalsschläge, die ihren Kindern widerfahren, nehmen ihre Leben und ihre Freundschaften unerwartete und tragische Wendungen. Am Ende hat Leo alles verloren: die körperliche und die seelische Unversehrtheit. Ihm bleibt nur die Kunst und die Erinnerung an die Liebe. Eines der eindrucksvollsten Bücher, das ich im letzten Jahrzehnt gelesen habe.
Autorin: Siri Hustvedt. Übersetzer: Erica Fischer, Uli Aumüller, Grete Osterwald.
Das Herz ist ein einsamer Jäger

Die Wege verschiedener Menschen, die unterschiedlicher kaum sein könnten, kreuzen sich im Café des Besitzers Biff. Halt und Vertrauen finden diese Außenseiter beim taubstummen Mister Singer, weil er ihnen zuhört und dadurch Trost spendet. Nachdem ich dieses Buch für mich entdeckt hatte – zu Anfang war ich allein schon vom ungewöhnlichen Titel fasziniert – wollte ich sofort alles von Carson McCullers lesen. Auch die Biografie der früh verstorbenen Autorin hat mich sehr berührt.
Autorin: Carson McCullers. Übersetzerin: Susanne Rademacher.
Ein Kind zur Zeit

Beim Einkaufen im Supermarkt wird die Tochter des Protagonisten Stephen entführt und sie bleibt unauffindbar. Mit ihr verschwindet für die Eltern die Liebe und jeder Existenzsinn. Nicht einmal ihre Ängste und Hoffnungen können sie noch miteinander teilen. Und dennoch versuchen sie – jeder auf seine Weise – Verlorenes wiederzugewinnen. Neben der Schilderung des privaten Unglücks ist der Roman eine treffende Zustandsbeschreibung der Politik und Gesellschaft Ende des 20. Jahrhunderts. Als tröstlich empfinde ich es, dass der Roman zwar nicht „happy“, aber doch hoffnungsvoll endet.
Autor: Ian McEwan. Übersetzer: Otto Bayer.
