Die Wahlmünchnerin mit norddeutschen Wurzeln bloggt seit 2007 auf Lesekreis.org ein Allerlei für Buchtrinker und Seitenfresser. Im realen Leben gehört die vierfache Mutter zu einem Lesekreis, in dem sich seit 1999 fünfzehn ehemalige Eltern einer Eltern-Kind-Initiative aus München treffen, um gemeinsam ein Buch auszusuchen, zu lesen und zu besprechen. Nach nahezu 80 gemeinsam gelesenen und besprochenen Romanen ist die Erkenntnis “Lesen und lesen lassen” längst Gewissheit, denn einig über die Inhalte sind sie sich fast nie. Und das ist gut so. Gerade die oftmals hitzigen Diskussionen bewirken, dass die Bücher unvergesslich bleiben. Fünf Bücher sind für einen Buch-Messie wie Heike Huslage-Koch eine echte Herausforderung. Die erwählten “Fünf Bücher” gewähren einen Einblick in ihre persönlichen Lese-Lebensabschnitte.
Jenseits von Eden
Unvergesslich: Ich war etwa 14 und lag krank auf dem Sofa, als meine Mutter mir John Steinbecks späten Roman Jenseits von Eden in die Hand drückte. Nach Enid Blyton, Christine Nöstlinger oder Karl May war John Steinbeck für mich eine Offenbarung. Liebe und Hass, Gut und Böse – die Abgründe der menschlichen Seele beschreibt der Literaturnobelpreisträger so facettenreich wie kaum ein anderer. Die Botschaft „Nimm dein Leben in die Hand, es gibt kein vorherbestimmtes Schicksal“ ist so aktuell wie eh und je. Die großartige gleichnamige Verfilmung von Elia Kazan aus dem Jahr 1955 mit James Dean als Caleb Trask zeigt einen Teilaspekt der Handlung. Das Buch ist eindeutig das größere Kino, wenn auch in Zeiten von Stephenie Meyer & Co. eher schwer vermittelbar.
Autor: John Steinbeck. Übersetzer: Harry Kahn.
Der Herr der Ringe 1-3
Fantastisch: “Ein Ring, sie zu knechten, sie alle zu finden, ins Dunkel zu treiben und ewig zu binden”. Tolkiens Der Herr-der-Ringe-Trilogie gehört nicht nur zu den erfolgreichsten Romanen des 20. Jahrhunderts, sondern ebenfalls zu den Klassikern der Fantasy-Literatur. Speziell in meinen 70ern war Tolkien ebenso wie z.B. Hesse (Siddhartha) eine wunderbare Ergänzung zum geliebten Psychedelic Rock. Die erste deutsche Übersetzung von Margaret Carroux erschien 1969/1970 im Klett-Cotta Verlag. Seit 2000 ist eine umstrittene Neuübersetzung von Wolfgang Krege im Handel. Wer nun glaubt, dass die Bücher auch nur annähernd so actionreich wie die erfolgreiche Verfilmung des Stoffs aus den Jahren 2001 und 2003 ist, irrt gewaltig. Für die Komplexität der geschriebenen Trilogie braucht man einen weitaus längeren Atem, wird dafür aber belohnt. Ein Tipp: Finger weg von der Neuübersetzung und die Version von Margaret Carroux lesen!
Autor: John Ronald Reuel Tolkien. Übersetzerin: Margaret Carroux.
Der Tod des Märchenprinzen
Nostalgisch: “Linke Frau, 24, möchte gerne unmännliche Männer, gerne jünger, kennenlernen.” Svende Merian traf Anfang der 80er den Nerv der Zeit und sorgte in der Friedens-, Frauen- und Anti-AKW-Bewegung mit ihrem „Frauenroman“ für Aufsehen. Bonn war zu der Zeit ein Ort, der uns magisch anzog und Protest nicht nur ein Schlagwort, sondern ein echtes Lebensgefühl. Ina Deters Hymne der Emanzipation „Neue Männer braucht das Land“ kannten wir alle auswendig. Der autobiographische Roman von Svende Merian handelt von der erfolglosen Suche nach „dem“ Märchenprinzen. „Auch hier wohnt ein Frauenfeind“ schreibt Svende frustriert an sein Fenster und verabschiedet sich von dem Bild, dem Traum, der Illusion des idealen Partners. Mögen Sprache und Ausdruck heute nostalgisch anmuten und nur noch kulturhistorisch interessant sein, die Suche nach dem Märchenprinzen ist es nicht.
Autorin: Svende Merian
Homo Faber
Tiefsinnig: Max Frischs großer Roman Homo faber gehört meiner Meinung nach immer noch zu den “must read” der deutschsprachigen Literatur. Allerdings nicht gezwungenermaßen im Deutsch-Leistungskurs, sondern freiwillig und mit deutlichem Abstand zur Schulzeit. In Homo faber verliert sich der rational denkende und handelnde Protagonist Walter Faber durch eine Reihe von schicksalhaften Zufällen immer mehr in seiner eigenen, tragischen Lebens- und Liebesgeschichte. Homo faber ist ein äußerst vielschichtiger und zum Nachdenken Anlass gebender Roman, der mich lange Zeit beschäftigt hat.
Autor: Max Frisch
Der Maler und das Mädchen
Faszinierend: Margriet de Moor gehört aktuell zu den Autorinnen, die mich am meisten begeistern. Nach Sturmflut (2006) ist in diesem Jahr ihr neuer Roman Der Maler und das Mädchen erschienen. Es ist eine fiktive Geschichte um die historischen Figuren Rembrandt und Elsje Christiaens. Margriet de Moor hat dieses Buch dem Maler Rembrandt gewidmet, Elsje ist die Wegweiserin zu ihm, dessen Name in dem Roman nicht ein einziges Mal erwähnt wird. Die Handlung ist im 17. Jahrhundert angesiedelt. Dennoch ist es kein rein historischer Roman, da die Autorin aus der Sicht des 21. Jahrhunderts erzählt. Sie beleuchtet
ihre Figuren und Kulissen in dem für sie typischen sachlichen Schreibstil immer wieder von zwei Seiten, urteilt nicht und wirkt nie moralisierend. Das Ergebnis ist ein faszinierender, spannender Roman mit vielen historischen Details in einer wunderbar funkelnden Sprache – ein Meisterwerk, wie ich finde.
Autorin: Margriet de Moor. Übersetzerin: Helga van Beuningen.
Oh ja – der Tod des Märchenprinzen. Es muss ungefähr 89 gewesen sein… es hat mich stinksauer gemacht, das Buch – ich war wohl schon die nächste Generation… aber es hat mich auch dazu gebracht, mein erstes Schreibheftprojekt anzufangen UND abzuschließen.
3 von 5 habe ich gelesen, 2 davon mag ich sehr, aber der „Tod des Märchenprinzen“ ist auch für mich ein Buch, bei dem ich nur rot gesehen habe.
Homo Faber habe ich schon lange vor zu lesen und der „Maler und das Mädchen“ hört sich sehr interessant an und wandert auch gleich mal auf die Wunschliste…
Auch du „Homo faber“! Ich hab den auch freiwillig und erst während des Studiums gelesen und stimme dir völlig zu: bloß nicht im Deutsch-LK zerpflücken lassen und eine Fremdbetrachtung aufgedrückt bekommen. Der Roman ist so vielschichtig, dass jeder selbst das für sich Wichtige entnehmen muss und kann (und das in jedem Lebensabschnitt wieder neu).
Grüße! N.
Ging es denn in dem Schreibheftprojekt um Märchenprinzen, liebe frauziefle?
Ich war 89 schon mit Stillen beschäftigt, da war das Thema auch nicht mehr ganz so relevant. ;-) Aber aus der Distanz gesehen, war es ein wichtiges Buch. LG
89 wäre ich für einen Stilljob noch ein wenig zu jung gewesen…. die kamen erst 2003 , dann aber in Serie.
Selbstredend ging es um Märchenprinzen – und wie man es richtig macht :))
Liebend gern hätte ich das „Gegenbuch“ von Arne (hieß er so?) einmal in die Finger bekommen, aber das gelang nie. Falls da jemand helfen könnte?
ah, stimmt, vielen Dank für die Erinnerung! 1983 erschien eine Gegendarstellung unter dem Titel „Ich war der Märchenprinz“ von Arne Piewitz mit einem köstlichen Cover – ein zerquetschter Frosch an einer Wand ;-) Ich hab´s natürlich nicht gelesen, aber es soll wesentlich humorvoller sein.
Sehr mutig, ein Buch wie den Märchenprinzen zuzugeben! ;-)
Damals war dies wohl für viele ein wichtiges Buch, heute finde ich es übertrieben
Gute Auswahl – bis auf „Herr der Ringe“ waeren deine Buecher bei mir auch auf der Bestsellerliste – ich bin absolut kein „fantasy fiction fan“….. „Ich war der Maerchenprinz“ hab ich damals auch gleich anschliessend gelesen und fand es eher lahm. Eine ertinkende Spezie klammert sich an den letzten Strohhalm bevor sie untergeht. Unlustig und langweilig…..
„Der Tod des Märchenprinzen“ habe ich zwar gerne gelesen, fand aber die Tussi damals schon ziemlich doof, eine echte Bilderbuch-Zicke. Naja, und Arne eben der Klischee-Macho. Das Gegenbuch von ihm war auch nicht der Brüller, leider ist die ertrinkende Spezies immer noch nicht untergegangen.
Da hat „Homo Faber“ mich doch wesentlich mehr begeistert und zum Nachdenken angeregt. Ich habs auch freiwillig gelesen und nach diesem Buch habe ich mir gleich die anderen Werke von Max Frisch einverleibt.
„Homo Faber“ habe ich mehrmals gelesen, zu verschiedenen Zeitpunkten. ein großes Erlebnis. Das Buch erzählt so viel vom Leben und der Leser bekommt tiefe Einsichten, eine vortreffliche Sprache, unterhaltend und mitreißend. Ich kann es nur empfehlen, ein nie langweiliges Geschenk.
Ich finde es ebenfalls tapfer, den „Märchenprinzen“ zuzugeben. ;-) Ich selbst habe vor ca. ein, zwei Jahren einem Mädchen zum 18. Geburtstag 5 Bücher geschenkt, die ich in dem Alter wichtig fand. Da war Svende Merian auch dabei. Lustigerweise hat es ihr aber gefallen und sie meinte, „so sind die immer noch“. Also nicht ertrunken, völlig richtig, Hanne!